Erst wenn ihr die letzte Webseite geschlossen habt…

… werdet ihr merken, dass Facebook nur euer bestes will: eure Inhalte. Dabei definiert natürlich Facebook nach ganz eigenen Regeln oder besser gesagt geheimen Algorithmen, was die besten Inhalte sind. Sind Facebook eure Inhalte nicht mehr gut genug, werden sie Facebook auch nicht mehr interessieren. Das heißt, ihr habt von jetzt auf gleich erheblich weniger Leser und damit setzt eine Abwärtsspirale in Gang: weniger Leser heißt, weniger Sichtbarkeit in den Timelines und das geht so weiter, bis ihr verschwunden seit. Naja, fast. Denn wenn ihr immer schön liked und teilt und versucht, im Gespräch mit euren Freunden und Fans zu bleiben, wird euch die Timeline nicht ganz vergessen.

Edelfeder: Lösen einzelne Publizisten die Medienmarken im Internet ab? (Foto: Fred Guillory: Pen and Ink via Flickr CC BY-SA 2.0)

Edelfeder: Lösen Blogs einzelner Publizisten die Medienmarken im Internet ab? (Foto: Fred Guillory: Pen and Ink via Flickr CC BY-SA 2.0)

Außerdem könnt ihr natürlich bezahlen dafür, dass eure Inhalte in den Timelines angezeigt werden. Die Konkurrenz, die den Wettbewerb und damit die Preise für die besten Timelineplätze bestimmt, ist von euch nicht zu sehen, die kennt nur Facebook und bestimmt damit, wie viel ihr zahlen müsst.

Also nur, dass das klar ist: Dann müssen nicht eure Leser dafür bezahlen, dass sie eure Inhalte zu sehen bekommen, sondern ihr müsst an Facebook bezahlen, dass eure Inhalte Leser bekommen. Merkt ihr was?

Noch sagt ihr, „ich gehe dahin, wo meine Leser sind“. Aber eure Leser werden euch nicht sehen.

Immerhin 7200 Follower auf Medium: US-Präsident Obama veröffentlicht hier regelmäßig, aber warum nicht auf seinem Blog?

Immerhin 7800 Follower auf Medium: US-Präsident Obama veröffentlicht hier regelmäßig, aber warum nicht auf seinem Blog?

 

Und hier wird auch das Problem von Instant Articles (Verlage publizieren auf Facebook) oder Notes (Langstreckentexte  auf Facebook), Medium oder Twitter10k (Twittertexte mit 10.000 Zeichen) liegen: Prominenten folgen die Rudelleser überall hin, egal, wo sie publizieren. Aber treue Leser einer (Medien-) marke generiert man so nicht, denn den Plattformen ist es egal, woher diejenigen kommen, deren Inhalte sie brauchen und wer sie bezahlt. Meines Wissens bezahlen weder Facebook noch alle anderen an die Autoren und Urheber.

Donald Trump bringt es, unageachtet der Inhalte, auf xx Millionen Follower auf Twitter. Ob bei ihm Langtexte funktionieren würden?

Donald Trump bringt es, unageachtet der Inhalte, auf 5,8 Millionen Follower auf Twitter. Ob bei ihm Langtexte funktionieren würden?

Die Kunst ist es wohl, das zu werden, was man (im Journalismus) eine „Edelfeder“ nennt: dass man als Publizist mit seinem Inhalt so viel Aufmerksamkeit erzeugt, dass die Leser einen Lesen, weil sie den Autor gut finden – unabhängig davon, wo er publiziert.

Ich glaube, es wird schwer werden für Verlagshäuser klassischen Stils, ihre Marken ins Internet zu retten. Clickbaiting und die Konkurrenz um Klicks darum tut ihr übriges, dass die Markenqualität, die früher mit den Medienmarken verbunden war, sich auflöst. Wer mit Überschriften, Klickstrecken und SEOisierung von Texten, bei Lesern Erwartungen weckt, die nicht erfüllt werden können, begibt sich in die Beliebigkeit – das Gegenteil von Marke also. Für diejenigen, die hochwertige Inhalte suchen, ist nicht mehr entscheidend, woher der Inhalt kommt, sondern wer ihn erstellt hat. Und mit der Person ist es meines Erachtens auch untrennbar verbunden, dass die Inhalte auf einem eigenen Kanal gebündelt werden, um die Personal Identity, also den Autor als Marke darzustellen – was wäre dazu besser geeignet als ein Blog. (Im Übrigen sei mir berufsbedingt die Anmerkung gestattet, dass darum Corporate Blogs so wichtig sind, weil sie eben genau eine Beitrag zur Marke leisten können: eindeutig, klar positioniert, mit eindeutiger Haltung und immer am selben Ort.)

Nur, dass ihr mich nicht falsch versteht: auch ich möchte Social Networks keinesfall mehr missen. Aber meiner Ansicht nach sollten sie vor allem bei den o.g. Edelfedern nur zum „anteasern“ der Inhalte auf der eigenen Website, dem eigenen Blog, dienen. Der Einfachheit halber werden die Kommentare dann wieder auf dem Marktplatz, Facebook, ausgetauscht, ok., aber meine Inhalte finden die Leser hier: abonnierbar sogar als RSS, zuverlässig mit rechtssicherem Impressum, verlinkt mit anderen Plattformen, so lange ich mir Hosting-Gebühren leisten kann. My Blog ist my Castle habe einige schon geschrieben, Leser sind herzlich eingeladen. Die Wegweiser hierher stehen in Social Networks.

Dieser Artikel ist übrigens mein Beitrag zur Blogparade #bloggenohneblog der geschätzten Kollegin Meike Leopold.

6 Comments on “Erst wenn ihr die letzte Webseite geschlossen habt…”

  1. Danke Markus, well said. Interessant auch die Anmerkung, dass wir für die Auslieferung des Contents auf LinkedIn und Co. vermutlich auch in Zukunft zahlen werden müssen. lg, Meike

    • Danke für deinen Kommentar. Genau das meine ich; vielleicht habe ich mich in dem Beitrag ein bisschen zu sehr auf Facebook kapriziert. Aber ich denke der Zuckerberg macht im Moment ganz gut vor, was bei den anderen Plattformen auch über kurz oder lang kommen wird. Eine bereits etablierte eigene Webpräsenz, am einfachsten zu verwirklichen durch ein eigenen/s Blog, wird dann sehr helfen.

  2. Dem kann ich nur zustimmen. Solange es technisch von den sozialen Plattformen gestattet wird auf die eigenen Webseiten oder Blogs zu verweisen, sollte man das auch so handhaben. Aber ich fürchte, wenn eine kritische Masse erreicht ist, könnte es in die Richtung gehen, dass nur noch Volltexte auf der eigenen Plattform akzeptiert werden und keine Teaser mehr mit Links auf andere Websites.

    • Hallo Albert, danke für deinen Kommentar. Die von dir geschilderte Perspektive wäre schlimm, meines Erachtens sogar das Ende des Internets, denn Links und Verweise sind ja eigentlich das Salz in der Suppe.

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  4. Pingback: Kann man ohne Blog Bloggen? Und wenn man es kann, lohnt es sich dann?

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