Ich bin froh über die Demokratisierung des Fotoalbums

Da war sie wieder, diese Angst vor der unkontrollierbaren, unkontrollierten und auch unerwünschten Weltöffentlichkeit. Die ist nach meiner bisherigen Erfahrung völlig unbegründet: wer, von beispielsweise 300 Millionen Instagram Nutzern, soll sich schon für meine Bilder interessieren? Im Prinzip tun das sowieso nur die Leute, von denen ich möchte, dass sie sehen, weil sie sich für mich interessieren und weil ich sie meistens auch im Real Life, dem echten Leben, kenne.

Fotoapparate von drei Generationen in einer Sammlung. Zwei bis drei Kameras im Leben waren dank des langsamen technischen Fortschritts ausreichend.

Fotoapparate von drei Generationen in meiner Sammlung. Zwei bis drei Kameras im Leben waren dank des langsamen technischen Fortschritts früher ausreichend, siehe die beiden Modelle ganz links.

Photographie 1.4: Früher war alles anders – und umständlicher

Früher hätte ich ihnen Fotoalben gezeigt oder Dias. Erinnert sich noch jemand daran? Fotoalben wurden eigentlich nur noch zu Familienfeiern rausgezogen, um Babyfotos vorzuzeigen (Throwback Thursday läßt grüßen #TT); oder wenn man im Laufe von Unterhaltungen auf bestimmte Themen zu sprechen kam, meistens wieder Feiern oder Urlaube. Wohl dem, der dann sauber sortierte und aktualisierte Alben besaß und nicht in Schuhkartons kramen musste, in denen noch die alten Tüten der Drogerie mit Fotoabteilung auf das Einkleben am verregneten Wochenende warteten.

Dias wurden im Schnitt drei mal angesehen: das erste Mal direkt nach dem Urlaub, die unbereinigte C-Kollektion, also alle Bilder nur für die direkt am Urlaub beteiligten; dann für die besten Freunde und Verwandten auf Extra-Einladung zum gefürchteten Dia-Abend, die A-Kollektion, nur die besten Bilder und alle, die für die Familie wichtig waren. Engagierte Hobby-Fotografen haben sich dann die Dia-A-Kollektion nochmal angesehen und daraus mit Kleber und Schere in Handarbeit Alben, Poster und Kalender zum selbst aufhängen oder verschenken gemacht. Damit war das Schicksal des Dias besiegelt.

Fotografie 1.8 – das Handwerkszeug bleibt das Gleiche

Nonplusltra damals war die analoge Spiegelreflexkamera. Nur sie garantierte eigentlich gute bis sehr gute Bildqualität mit allen Einstellmöglichkeiten. Späte analoge Kompaktkameras machten gute Bilder, Einstellmöglichkeiten waren aber in den meisten Fällen Fehlanzeige. Letztendlich war Hobby-Fotografie entweder Knipsen zu Dokumentationszwecken (Qualität egal, solang der schiefe Turm von Pisa und die Tante davor bei entsprechender Erläuterung zu erahnen sind, siehe oben) oder eben Einarbeitung in die Theorie der Fotografie, bestenfalls inklusive Nachmittagen im analogen Fotolabor. So konnte man sich aber Tiefenschärfe, Gegenlicht, Nachtaufnahmen und bestimmte Fototechniken und Aufnahmesituationen erarbeiten und lernte langsam, vor allem durch Erfahrung. Dabei handelt es um Fertigkeiten in Grundlagen der Fotografie, die übrigens auch im Digitalzeitalter nützlich sind.

Mit entscheidenden Unterschieden: Mögen Smarktphone-Kameras immer noch nicht an die Qualität von echten digitalen Vollformatkameras heranreichen, so ermöglichen sie es doch jedermann zu knipsen. Das Bild kann sofort überprüft werden – ist der schiefe Turm nicht schief oder unscharf, wird eben noch ein Bild gemacht. Oder es wird zur Sicherheit einfach gleich immer mehrfach ausgelöst – kostet ja nichts mehr.

Chinesische Touristin in München: Wie selbstverständlich wird mit Tablet fotografiert.

Chinesische Touristin in München: Wie selbstverständlich wird mit Tablet fotografiert.

Der Erfolg der Smartphones, die auch Fotoapparate sind, hinterlässt sein Spuren in der Kameraindustrie. Der Trend zeigt damit auch ganz klar an, wohin die Wünsche des Otto-Normal-Fotografen gehen. Digitale Spiegelreflexkameras der Mittelklasse werden weniger nachgefragt, digitale Kompaktkameras noch weniger. Angeblich verdienen die Hersteller nur noch an den teuersten Modellen ihrer DSLR. Ob die sogenannten Systemkameras, kompakte Kameras mit größerem Sensor und Wechselobjektiven, den Trend aufhalten können ist fraglich. Hier befindet sich mehr Zahlenmaterial dazu gesammelt.

Sofort und überall grenzenlos fotografieren und veröffentlichen

Im Anschluss daran stehen selbst auf dem Handy Bildbearbeitungsprogamme zur Verfügung von deren Effekten der Amateur in der analogen Dunkelkammer nur träumen konnte. Und mit dem Druck eines Fingers steht das Bild im größten Fotoalbum der Welt, dem Internet.

Und hier gilt: erlaubt ist, was gefällt (im Rahmen der Gesetze und des Anstands natürlich) und zwar dem Fotografen wie dem Betrachter. Kein Grund also, sich aufzuregen über die Motive. Hashtags und Suchfunktionen erlauben es jedermann nur das zu sehen, was er möchte. Katzen, Sonnenuntergänge, Schwarz-Weiß-Bilder, Personen, Essen und Trinken – warum nicht. Früher verschwanden die Bilder in Fotoalben und Diakästen, heute kann sie die ganze Welt sehen. Ich finde das einen Fortschritt – und wem es nicht gefällt, der soll sie halt gar nicht angucken oder nur die, die ihm gefallen.

Apple hat es (wieder) verstanden: Mit attraktiven und durchaus anspruchsvollen Motiven wird für das Fotografieren mit dem iPhone geworben.

Apple hat es (wieder) verstanden: Mit attraktiven und durchaus anspruchsvollen Motiven wird für das Fotografieren mit dem iPhone geworben.

Weitere Bilder, die (angeblich) mit dem Apfeltelefon aufgenommen worden sind, findet man in der Galerie bei Apple.

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