Mein erstes Blogger-Barcamp seit… ich weiß nicht wann… endlich wieder und so einfach. Im Home Office sitzen bleiben und einfach 3 Stunden Zeit nehmen. Und es war besser als erwartet. Angestoßen hatte das Mini-BarCamp „Zukunft Bloggen!?“ am 29.11.24 Thomas Riedel (in Social Media auch unter Droid Boy zu finden), um der Blogosphäre wieder etwas Leben einzuhauchen oder etwas Selbstbewusstsein zu geben oder einfach nur um die Einsamkeit des Bloggers zu überwinden? Auf jeden Fall, um den großen Plattformen wie Instagram, YouTube, Tiktok und Twitter etwas entgegenzusetzen. Und zwar mit dem, was wir schon zu Bloggerstammtischzeiten (#hach), das „selbstbestimmte Publizieren“ im Internet nannten: von der Content-Software bis zum Inhalt und Design alles unter eigener Kontrolle.
Wann ich das Layout wechsle, meinen inhaltlichen Fokus ändere oder das Update (empfohlen!) mache, bestimme alleine ich und nicht irgendein Konzernlenker, der mit seinen Algorithmen das einzige Ziel hat, die Nutzer auf der Plattform zu halten und zu mehren, um attraktiv für Werbekunden zu sein. Verschlimmert und damit offensichtlich gemacht hat das vor allem der neue Twitter-Besitzer, der unter der geheuchelten „Redefreiheit“ Extremisten eine Stimme gibt und diese sogar noch mit eigenem Engagement unterstützt. Mit dem erneuten Wahlsieg Trumps und vielleicht der annullierten Präsidentenwahl in Rumänien endlich ein Zeichen, dass diese Plattformen über eine unbeschränkte Macht verfügen, die sie ohne irgendeine Legitimation oder nennenswerte Kontrolle oder Regulierung ausüben.
Plattform-Dominanz und Social-Media-Ende als Impulse
Insofern war der erste Impulsvortrag, der als Video eingespielt wurde, richtig schlimm. Dr. Martin Andree, (Außerplanmäßiger Professor mit Schwerpunkt für Digitale Medien der Universität zu Köln) zeigte unter der Überschrift „Big Tech muss weg“, dass die großen Plattformen die meisten Nutzer auf sich vereinen – selbst so populä… listische Angebote, wie die Blöd-Zeitung in Deutschland laufen da nur unter ferner liefen – geschweige denn ein einzelner Blogger. Nur, ist es wirklich so, dass sich Blogger mit den großen Plattformen vergleichen müssen – nein, ich denke, der Appell des Professors ging eher in die Richtung, vor der Gefahr der Meinungsmanipulation durch die großen Plattformen zu warnen. Eines, wenn auch nicht einzige und alleine helfende Mittel dagegen, ist eben das unabhängige Bloggen auf der eigenen Plattform.
In den folgenden Impulsvorträgen wurde ebenfalls, weniger statistisch belegt aber gut hergeleitet, auf das „Ende von Social Media“ (Dominik Ruisinger und Manuela Seubert) und „Warum das Bloggen eine Renaissance erlebt und warum das wichtig ist“ (Daniela Sprung) hingewiesen. Leider war im dichtgedrängten Barcampprogramm keine Zeit für eine anschließende Diskussion vorgesehen – was schade, aber vermutlich nicht schlecht war, sonst wäre der Zeitplan vermutlich komplett aus dem Ruder gelaufen – bei der Brisanz des Themas.
Kommt der Bloggerstammtisch wieder?
Nach der ersten guten Stunde Impulsvorträge ging es in die Sessions. Auf eine Vorstellungsrunde wurde ebenfalls zugunsten des knappen Zeitplans verzichtet – untypisch für Barcamps. Allerdings löst eine Online-Vorstellungsrunde von über 50 Teilnehmern bei mir auch keine Freudensprünge aus, selbst wenn man sich auf die berühmten drei Hashtags beschränkt. Eine Alternative wäre vielleicht, bei Wortmeldungen eine kurze Vorstellung vorzuschalten, so dass man wenigstens die Bloggenden, die etwas beitragen, einordnen kann.
In meiner Session geschah das dann mehr oder weniger von selbst, als alle Mitdiskutanten und Onkels jeweils freiwillig und ohne Aufforderung kurz ihren Bezug zum Bloggen berichteten. Ich erzählte in meiner Session von meiner Erfahrung mit dem Münchner Bloggerclub, von seiner Gründungshistorie als lokaler Bloggerstammtisch bis hin zur Auflösung des Clubs. Meine These: Die Vernetzung fällt Bloggern untereinander so schwer, weil sie thematisch oft so weit auseinanderliegen. Es gibt lediglich zwei Gemeinsamkeiten: Erstens die Technik, meistens ein selbstgehosteter WordPress-Blog, darüber ließen sich bei der Mächtigkeit der Software tagelange Barcamps zu den optimalen Einstellungen, Plugins, Designs usw. abhalten. Daran angrenzend noch das Thema Besucherzahlen und SEO, also wie generiere ich Traffic für meinen Blog. (Dabei fällt mir auf, dass im gesamten Barcamp kein einziges Mal das Wort Monetarisierung gefallen ist – bei vielen früheren Bloggerveranstaltungen war das oft das Thema, das alle anderen überlagert hat, weil viele hofften, dass sich mit einem Blog Geld (und sogar der Lebensunterhalt) verdienen lässt.) Und zweitens, am anderen Ende, das Meta-Thema „selbstbestimmtes Publizieren“, mit seinen gesellschaftlich-politischen Vorteilen. Ergänzend dazu wiesen mich die Teilnehmer daraufhin, dass lokale Nähe auch noch eine Gemeinsamkeit sei, die Vernetzung erleichtere. Zurück zu den Wurzeln also – vom Bloggerclub mit deutschlandweitem Lobby-Anspruch zum lokalen Bloggerstammtisch, dazwischen passt aber immer noch ein Online-Mini-BarCamp.
Gut, besser, BloggerIn?
Anschließend nahm ich noch an der Session von Thomas Riedel teil. Er fragte nochmal, was man tun könne, um ein Gegengewicht zu den großen Plattformen zu bilden. Die Teilnehmer warfen hier viele unterschiedliche Themen in die Runde, die nur am Rande mit dem Bloggen zu tun haben: Medienkompetenz fördern, Bildung im Allgemeinen mehr Ressourcen zugestehen – für mich war das Beispiel einer Teilnehmerin aus den Niederlanden interessant, wo das wohl an Schulen schon sehr früh angeboten wird. Thomas forderte die Teilnehmer auf gut und besser zu sein. Ich bin der Meinung, dass Engagement, das nicht nur auf den Eigennutz zielt, gefördert werden muss. Also die Arbeit besser machen, in dem man über den Tellerrand schaut und sich auch nicht scheut, Bewegung in vermeintlich festgefahrene Positionen zu bringen.
Fazit: Gerne mehr BarCamp – auch online
Wie im Fluge vergingen die drei Stunden Online-BarCamp. Obwohl wir uns „nur“ online getroffen haben, fiel der Abschied schwer; es dauerte, bis auch die letzten ihre Zoom-Sitzung beendet haben. Ich war beeindruckt von der Disziplin und technischen Gewandtheit der Teilnehmer. Hand heben, Fragen stellen, Räume wechseln, angesprochen werden, antworten, Mikro wieder aus – eine meiner Sessionteilnehmerinnen war im Auto unterwegs als ich sie ansprach und schaltet sich dann nach der Ankunft von zu Hause wieder zu. Die Pandemie hat hier definitiv Spuren im positiven Sinne hinterlassen: Online-BarCamp das geht. Danke an Thomas Riedel und alle Organisatoren für die inhaltsreiche, wenngleich straffe Agenda – auch wenn viele gerne noch dageblieben wären, so konnte ich nach nur drei Stunden meinem Broterwerb wieder nachgehen und hatte trotzdem Vieles mitgenommen. Nicht nur den Einblick in die politisch-gesellschaftlichen Bedrohungen durch die großen Plattformen, sondern auch das Gefühl in einer guten Gemeinschaft Gleichgesinnter aufgehoben zu sein, Vernetzung ohne Vorbehalte.
Thomas habe ich meinen Traum schon mitgeteilt, aber hier nochmal für Alle: ein Online-BarCamp in der Form alle drei Monate und ein Live-Barcamp einmal im Jahr. Wie wäre das…
Weitere Berichte über das Online-BarCamp „Zukunft Bloggen!?“
- Johannes Mirus aus Bonn hat sein Fazit gebloggt und plädiert für mehr Offline-BarCamp und hat auch schon einige Kommentare von Teilnenehmern erhalten.
- Klaus Janowitz hat in seinem Blog „Netnographie & Digitaler Wandel“ nochmal die Historie der Blogs kurz nachgezeichnet und damit die Ausgangslage des Barcamps gut beschrieben, er führt auch das Stichwort der Digitalen Souveränität ein, was sich nicht nur auf Unternehmen beziehen muss, sondern durchaus auch auf private Einzelpersonen angewandt werden kann – ein interessanter Gedanke.
- Bitte weist mich auf eure Rückblicke hin, ich ergänze sie an dieser Stelle gerne. Oder ihr stellt sie in die Kommentare.
Bildhinweise
Alle Bilder wurden von mir im Rahmen von „Rock the Blog“ auf der CeBIT 2016 aufgenommen. Alle Rechte dafür liegen bei mir.
Hallo Markus,
vielen Dank für deinen sehr ausführlichen und lesenswerten Bericht. Das ist ein Traum solche Leute wie dich dabei gehabt zu haben. Das haben uns Daniela und ich bei der Orga kaum erträumen können. Um so mehr freuen wir uns, dass das Format im Grunde ankam.
Wie ich auch schon beim Rückblick von Johannes Mirus kommentierte, hatten wir es bewusst straff gehalten, um die Gefahr zu vermeiden, dass es all zu langweilig wird. Wie wir gesehen haben, war es alles andere als langweilig. Und der Drang noch mehr zu machen ist da. Dass herauszufinden war unser Ziel. Wir geben der nächsten Version also viel mehr Luft.
Zum Thema Vorstellungsrunde: Die gab es, allerdings in abgewandelter Form asynchron im Voraus in unserem Forum, dass ich als anachronistischen Witz installiert hatte. Darüber lief ja auch die Sessionplanung. Das wurde auch genutzt. Allerdings ist das Ding nicht ganz fehlerfrei und ich muss mir da noch Mal Gedanken machen, wie wir so eine unabhängige Plattform eigentlich aufbauen können. Wünschenswert wäre das ja 🙂
Ich freue mich auf jeden Fall aufs nächste Jahr, denn wir werden wieder etwas machen, das steht fest!
Dir und den Mitlesenden erst mal angenehme Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
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