Dritter und letzter Tag: re:publica 2014 #rp14

Affenfelsen draußen

Affenfelsen draußen

Tag drei der re:publica war nochmal geprägt von Bloggern, Journalisten und Grundsätzlichem. Schon jetzt sei vorweggenommen, dass wir am letzten Abend in Berlin bei Bier und Burger schon sehr kleinlich werden mussten, um irgendwas an der Veranstaltung schlecht zu finden; die re:publica war gemessen an den Dimensionen und Inhalten wieder großartig und die Organisation ohne Fehl und Tadel. Da kommen viele Anregungen sowie aufgefrischte und neue Kontakte mit nach Hause (aber dazu an anderer Stelle hoffentlich bald mehr).

Für mich begann der Tag erneut mit dem obligatorischen zweiten Cappuccino, der sich um kurz vor zehn wieder schnell organisieren lies (von dem freundlichen Servicepersonal von monotone). Dem Andrang merkte man an, dass es sich um den dritten Tag der #rp14 handelte, denn der lies um die Zeit noch sehr zu wünschen übrig. Statt übervoll war die erste Session „nur“ gut gefüllt. Das sollte sich aber im Laufe des Tages ändern.

Die erste Session zu den globalen Bloggerrelations zeigte ein bisschen die Schwierigkeit der #rp14 mit dem internationalen Ansatz. Zwei der Sprecher aus dem Ausland kamen wohl gar nicht nach Berlin; und so richtig locker sind die Sprecher nur, wenn sie in ihrer Muttersprache vortragen und diskutieren können. Dieses Phänomen stellte ich übrigens in mehreren englischsprachigen Veranstaltungen fest.

Session auf Bühne 5

Session auf Bühne 5

Nun aber zu den Inhalten. Es ging um Bloggerrelations und eigentlich weltweit. Dazu sei gesagt, dass die Anforderungen der Blogger (warum eigentlich immer nur Blogger und nie Twitterati oder Instagrammer?) zumindest europaweit, die gleiche zu sein scheinen. Dies bestätigte die per Film eingeblendete Marketing-Managerin Olga Rasulova von Philips Russland und Vanessa Carmicino, die Vertreterin der italienischen Social-Media-Agentur. Was sich jedoch unterscheidet, sind die Rahmenbedingungen. In Russland beispielsweise die Einschränkungen für Blogger mit hoher Reichweite durch Registrierungen oder in Italien das Verschwinden traditioneller Medien, ohne dass dies in irgendeiner Form von alternativen Angeboten, wie Blogs eben, aufgefangen wird.

Etwas ausführlich stellte Lünenbürger-Reidenbach den Codex seiner Agentur für den Umgang mit Bloggern vor. Zwei Punkte betonte er: Erstens sei es wichtig, Transparenz darüber zu schaffen, wie Blogger entlohnt werden. So bleibe die Unabhängigkeit gewahrt und für Leser sei klar, dass die Entlohnung nicht im Gegenzug für (positive) Berichterstattung erfolgt. Zweitens müsse sich die Entlohnung der Blogger an ihrem Aufwand orientieren, sich mit Unternehmen bzw. Themen zu beschäftigen. Schließlich lebten Blogger nicht vom bloggen, sondern müssen für ihr Blog Freizeit oder gar Zeit fürs Geldverdienen opfern. Schließlich werden Blogger, anders als Journalisten nicht von hinter ihnen stehenden Medienorganisationen für ihren Aufwand bezahlt. Da sie nicht die Organisation (und Rituale, möchte ich ergänzen) der Vertreter der traditionelle Medien kennen, kommt es hier oft zum „Zusammenprall der Kulturen“ zwischen Unternehmen, die bisher „nur“ Journalisten gewöhnt sind und plötzlich auf andere Verhaltensweisen von Bloggern treffen.

Interessant wurde die Session, als es um die „Bezahlung“ von Bloggern ging. Statt sie mit Geld zu entlohnen empfahl das Podium, nicht-monetäre Wegen um den Blogger zu unterstützen und seine Anerkennung zu fördern. Dazu könne gehören, Rechte an seinen Posts zu erwerben, um sie in der Unternehmenskommunikation (PR, Marketing, Werbung) zu verwenden. Oder die Expertise des Bloggers zu nutzen, um eigene (Online-) Publikationen zu ergänzen, so dass er seine Reichweite und seine Bekanntheit erhöhen kann. Zudem könne man ihm mit Zugang zu exklusiven Informationen dabei unterstützen, die Wertigkeit seiner Blogs für seine Leser zu erhöhen.

Dabei sei zu beachten, dass nicht der Blogger aufgefordert werde, zu veröffentlichen, was das Unternehmen wünsche. Vielmehr gehe es darum, „seine Leidenschaft zu fördern“ (to feed his passion). Es gehe darum, ihn dabei zu unterstützen, über die Dinge zu schreiben, über die er schreiben will (nicht soll!). Die Frage nach dem „Wofür“ wurde endlich auch mal gut beantwortet (auch wenn das Publikum immer noch Messbarkeit fordert). Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach sprach hier von Micro Audiences (eine Umschreibung für eine sehr kleine Zielgruppe), die aber hoch engagiert, gut vernetzt und enorm glaubwürdig sei. Deshalb seien sie für Unternehmen so wichtig (im klassischen PR-Sprech wohl Multiplikatoren und Agendasetter genannant).

Quintessenz der Session, die in der zweiten Hälfte, nicht zuletzt dank der Interaktion mit dem Publikum deutlich an Qualität gewann: „Es ist nicht einfach mit Amateuren zu arbeiten“ – aber es lohnt sich, möchte ich ergänzen.

Die beiden frei gebliebenen Plätze auf dem Podium wurden übrigens im fliegenden Wechsel durch Frager und Mitdiskutanten aus dem Publikum ergänzt. Eine schönere Form der Beteiligung, als das übliche Warten auf oder Gehen zum Mikrofon. Genannt wird diese Form der Publikumseinbeziehung angeblich Fishbone (?), nach der Form der Fischgräte in der sich die Anstehenden für die zwei freien Plätze anstellen.

Into the Wald

Into the Wald

Die zweite Session des Tages war überfüllt. Irgendwie verwunderlich, denn es sollte um Start-ups gehen, die jeder Journalist kennen sollte. Ich hatte mir etwas mehr bzw. anderes erhofft, bekam aber so wenigstens einen Überblick über die derzeit angesagtesten, nun ja, eben nicht journalistischen, aber vielleicht, News-Portale…? Als da wären, Achtung Liste vorgestellt von Martin Giesler und Jannis Kucharz:

  • upworthy (Finanziert von der Bill Gates Stiftung)
  • 538 (finanziert von Disney)
  • Now this News (Die Filmschipsel Kanäle Vine und Instagram verbunden)
  • Vice (aus Kanada)
  • theinformation.com
  • huffingtonpost.comwatson.ch
  • postillion.de
  • flipboard.com
  • cir.ca
  • M3d
  • Intercept (von Glen Greenwald)
  • vox.com media
  • buzzfeed

Symptomatisch: Deutschland ist nur mit einer Seite vertreten. In Deutschland gebe es keine Risikokapitalisten, die in Medien investieren. Statt dessen würden sie in die hundertste E-Commerce-Seite investieren, da sie bei Medien kein Erlösmodell sehen. Auf die Frage des Publikums hin, ob das an der Größe des englisch verstehenden (!) Marktes liege, verneinten die Referenten und verwiesen auf die Schweiz, wo mit Watson ein Angebot in der Liste ist. Ebenso auf den Jugendsender Joiz, der in der Schweiz gegründet wurde.

Bei der Session war ich übrigens mit einer Handvoll anderer, nur Teil-Live dabei: da der Saal 3 überfüllt war, setzten wir uns in den Saal 4, der ebenfalls mit Kopfhörern versorgt wurde und schalteten die Kopfhörer auf die Frequenz des Kanals des Nachbarsaals um, ein Live-Podcast sozusagen.

Die folgende Session krankte auch irgendwie daran, dass der Vortragende Andreas Schmidt sie in Englisch anbot. Es ging wohl darum, dass verteilte, offene und soziale Internet, so wie wir es kennen, Sicherheit nicht mehr garantieren kann. Als Alternative böten sich drei Varianten an: die Amerikaner hätten erkannt, welche Bedeutung Information im 21. Jahrhundert hat und wollten sich auf dem Feld die Dominanz und Hegemonie zurückholen, die sie im kalten Krieg hatten. Als Alternativen böten sich feudalistische Sicherheit an, die man von den dominierenden Internet-Konzernen bekommt, die einen quasi aks Gegenleistung für die Mitgliedschaft schützen sollten. Als dritte Lösung für Sicherheit nannte der Referenz weltweite Sicherheits-Communities oder Feuerwehren, die je nach Lage schnell eingesetzt werden können. Die Verbindung zum Macchiavelli-Zitat am Ende muss ich vielleicht nochmal anhören.

Felix Schwenzel von wirres.net hielt seine obligatorische Zusammenfassung und ein Gegen- bzw. Ergänzungsrede zu Sascha Lobo, wobei die Erkenntnisse ähnlich sind: Schwenzel vergleicht das aktuelle Engagement der Netzgemeinde mit der Bürgerrechtsbewegung in den USA der 1960er Jahre. Viele Faktoren der Ausgangslage seien ähnlich. Er möchte jedoch, dass ein Sog erzeugt wird, der immer mehr Bürger und Politiker zu einem mitmachen bringt. Wichtig seien Bilder und er zeigte als Beispiel das Bild eines Polizeihunds, der einen Farbigen angriff und das damit zum Symbol und Kristallisationspunkt für die Bewegung wurde. Zunächste blickte Schwenzel positiver nach vorne und versuchte es mit der Analogie zu Autos. Dort seien die Sicherheitssysteme auch erst nach und nach Standard geworden. In der Konsequenz forderte er aber auch Engagement ein. Freiheit gebe es nur um den Preis der Mühe und Leidenschaft. Die seien notwendig, da Freiheit genommen und nicht gegeben würde. Seinen weiteren Optimismus zog er aus Kintsugi – einer japanischen Handwerkskunst, bei der Zerbrochenes mit Gold gekittet wird und somit hinterher schöner ist als vorher.

Eine schöne journalistische Session als Vorletzte des Tages war vom Dortmunder Professor Lorenz Lorenz-Meyer. Er forderte den Journalismus zu mehr Haltung auf. Während seines Vortrags wies er übrigens nach, dass das berühmte Hans-Joachim-Friedrichs-Zitat wohl doch nicht so gemeint war, wie es immer verwendet wird – nämlich als Rechtfertigung von Journalisten dafür, nicht Position beziehen zu müssen. Guter Journalismus bedeute für ihn auch Haltung, durch sie werden andere journalistische Kernwerte ergänzt. Sie ist zudem erforderlich, gegen den Konsens-Journalismus in einer (Medien-) Demokratie. Anwaltschaftlicher Journalismus sei nicht schlecht, sofern die Ideale Wahrheitstreue und Fairness erhalten blieben, wenn Neutralität und Objektivität begründet in den Hintergrund treten. Er sprach sich für klare Werte und Engeagement im Journalismus aus, ohne dabei die Unabhängigkeit des Urteils aufzugeben. Journalisten dürften deshalb sehr wohl Allianzen mit den Subjekten ihrer Berichterstattung eingehen.

Ein schönes (beneidenswertes) Beispiel für engagierten und leidenschaftlichen Journalismus zum Abschluss der re:publica 2014 boten die beiden Journalistenschülerinnen Lisa Altmeier und Steffi Fetz mit ihrer Plattform crowdspondent. Sie sammeln Geld und werden dafür im direkten Leserauftrag dreiMonate quer durch und aus Deutschland berichten. Mit einem Stipendium konnten sie das bereits im letzten in Brasilien ausprobieren und waren sehr erfolgreich dabei. Schönes Zitat von Ihnen:

Nur weil die Crowd mitdenkt, geben Journalisten nicht das eigene Denken auf.

In dem Sinne: Es war eine erfolgreiche re:publica 2014. Mama! Bis 2015.

Gemeinsames Absingen der Hymne: Mama!

Gemeinsames Absingen der Hymne: Mama!

One Comment on “Dritter und letzter Tag: re:publica 2014 #rp14”

  1. Pingback: #rp14 – meine liebsten Sessions | juna im netz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.