Vor einiger Zeit diskutierte ich mit Nadine von Kulturnatur, dass sich die Münchner Bloggeria unter anderem auch dadurch auszeichnet, dass sie unpolitisch ist. Sie meidet, sofern sie nicht von politischen Ambitionen begleitet ist, Konflikte. Entsprechend sind auch die Themen: Essen, Sport, Outdoor, Kultur. Beliebt sind Tipps für ein schöneres und besseres Leben, vor allem in der Freizeit. Ich erinnere mich auch an Diskussionen über den Trend zum „positiv“ bloggen. Wenn es etwa um Testprodukte oder unterstützte Veranstaltungen geht, vermeiden „Positivblogger“ negative Kritik und konzentieren sich in ihren Beiträgen auf positive Aspekte.
Umso überraschter war ich nun, dass sich tatsächlich mittlerweile über 100 Blogger öffentlich für den Erhalt des Alpenplans stark machen. Insbesondere Outdoorblogger fühlen sich offenbar animiert, gegen die Aufweichung der jahrzehntealten Schutzzonen stark zu machen. Gleichzeitig stellen sie sich damit gegen die Ausbaupläne für das Skigebiet am Riedberger Horn, die von der Landtagsmehrheit der CSU beschlossen wurde.
In der Folge wurde und wird übrigens Befürchtung laut, dass damit das Signal für weitere derzeit gestoppte Ausbauprojekte gegeben wurde; beispielsweise hier bei mir, quasi um die Ecke, für die Verbindung des Heutals mit dem Skigebiet Winkelmoosalm/Steinplatte, die seit einiger Zeit auf Eis liegt.
Auch wenn ich gerne Ski fahre, vornehmlich auf präparierten Pisten mit Liften, bin ich auch gegen die Ausbaupläne und die Aufweichung des Alpenplans. Der Grund ist wirklich einfach: Klimawandel, weniger Schnee; weniger Schnee, mehr Aufwand für Skikanonen; mehr Aufwand für Skikanonen, noch mehr Zerstörung von Natur, noch mehr Chemie auf die Berge; noch mehr Kapazitäten im Skigebiet, noch größere Parkplätze und noch mehr Verkehr; noch mehr Verkehr braucht noch mehr und breitere Straßen.
Schon heute ist der Straßenverkehr in den bayerischen Alpen an Wochenenden und Feiertagen oft unerträglich, Hunderte von Höhenmetern hört man den Lärm des Verkehrs und sieht den Stau durch Orte, etwa in Bischofswiesn oder an der deutschen Alpenstraße. Noch mehr Umgehungsstraßen, kreuzungsfreier Ausbau und Überholspuren werden das Problem nicht lösen. Im Gegenteil, sie führen zu noch mehr Verkehr und Flächenfraß. Die Zersiedelung durch Gewerbegebiete vor den Toren der Dörfer und Kleinstädte wird zunehmen, Marktplätze veröden weiter.
Der Landesentwicklungsplan unter dessen Regie das alles passiert, soll für „gleichwertige Lebensverhältnisse“ sorgen. Was bedeutet das: am Land leben, wie in der Stadt? Wer sorgt dafür, dass Städter wie am Land leben können – oder ist das nicht mehr gefragt, wenn alles verstädtert. Und was passiert eigentlich mit denen, die wegen der Stadt aufs Land gezogen sind (bzw. in die Kleinstadt, so wie ich?).
Es schließt sich die Frage an, ob das, was man uns (und den Touristen) als Bayern verkauft, dann nur noch potemkisches Dorf und Kulisse ist. Freizeit und Urlaub in Bayerisch-Disneyworld, der Rest ist hässlich? Die Frage nach sanftem und nachhaltigem Tourismus darf nicht gestellt werden, da sie halt keinen kurzfristigen Profit bringt und kleinteiligere Strukturen als Bettenburgen und Zehnersessellifte erfordert. Letzteres gibt es übrigens schon zur Genüge bei den Tiroler und Salzburger Nachbarn; lassen wir es ihnen doch, die sind mittlerweile sowieso unerreichbar groß. Vielleicht liegt die Chance darin, sich von ihnen zu differenzieren und nicht, es ihnen gleich zu tun. Schön mal drüber nachgedacht – möchte man den Befürwortern zurufen.
Apropos Befürworter, wo sind die denn? Gerne hätte ich mal einige Stellungnahmen derjenigen gelesen, die für die Aufweichung des Alpenplans gestimmt haben. Auf den Webseiten der Allgäuer CSU-Abgeordneten finde ich nichts, ebensowenig wie auf den Webseiten der CSU selbst. Auch eine Suche nach „pro Ausbau Riedberger Horn“ und ähnlichen Begriffen fördert nichts zu Tage. Da fragt ich mich, ob Google mich in meiner Filterblase hält. Oder, ob es gar System der Befürworter ist, sich nicht explizit zu den einzelnen Vorhaben zu äußern, sondern sich hinter den Floskeln für „gleichwertige Lebensverhältnisse“ im Rahmen des Landesentwicklungsplans zu verstecken. Schade, mich hätten gute Argumente für eine Aufweichung des Alpenplans interessiert, ein wenig wird hier angedeutet: mehr Steuereinnahmen und Arbeitsplätze werden erwartet, dafür muss die Wirtschaft (inkl. Tourismus) erfolgreich sein, damit mehr Arbeitskräfte und damit Steuerzahler in die Region kommen. Warum allerdings alle Landkreise in Bayern gleiche Steuereinnahmen vorweisen müssen und warum reiche Landkreise nicht arme unterstützen können und warum Städte nicht das Umland fördern, darüber steht dort nichts.