#Buchkritik: Liebe Signora Leon, Brunettis 17. Fall war mein letzter…

Meine liebe Donna Leon, mir reicht es jetzt! Nach dem Abschluss der Lektüre von “Das Mädchen seiner Träume” habe ich den Eindruck, dass Commissario Brunetti (warum habe ich immer Joachim Krol in Cordhosen vor Augen?) zum Statisten der altbekannten Venedig-Klischees verkommt, während das krimininalistische des Falls praktisch kaum noch stattfindet.

Warum es Krimi nennen, wenn das hochherrschaftliche Famlienleben seiner Schwiegereltern, die Pastaküche seiner Frau, das Lamento über Mafia und Korruption, das dem alten Venedig nachtrauern, die unvermeidliche Kirchenkritik, das distanzierte Mitgefühl mit sozialen Randgruppen, der dauernde Clinch zwischen Polizia und Carabinieri sowie die stetig steigenden venezianischen Immobilienpreise jeweils nicht unter zwei Seiten zu haben sind und das mehrfach im vorliegenden Buch? Seiten übrigens, die mit der eigentlichen Lösung des Falls so gut wir nichts zu tun haben…

Während Brunetti durch die Calles schlendert und seinen Café im Florian einnimmt oder sich ein Brioche zum Frühstück gönnt (alles Dinge, die ich in Italien zugegebenermaßen selbst gerne tue), löst sich der Fall quasi nebenbei zufällig wie von selbst. Immerhin, die Assistentin des Chefs (der übrigens bei mir Kopf von Michael Degen gut verkörpert wird), hat wohl endlich einen 16:9 Bildschirm und ein Notebook bekommen, auch wenn die Autorin das so deutlich nie schreiben würde, denn selbst im 17. Fall glänzt Brunetti noch durch seine Unkenntnis über Internet und Computer, oder einfach die Angst vor dem Unbekannten.

Mich freut es, dass es Brunetti und seiner Familie gut geht (die Beerdigung seiner Mutter nimmt ihn nicht so mit, denn die war ja schon sechs Jahre dement), aber als Leser bin ich mehr am Fortgang des Falles interessiert, der aber, wie gesagt, kaum stattfindet vor lauter “Establishing Shots”, wie man unter Fernsehleuten, die Einblendungen der Umgebungen nennt, damit der Zuschauer weiß, wo er sich befinden soll. Insgesamt bringt es die Taschenbuchausgabe des 17. Falls auf 350 Seiten – der Fall selbst dürfte sich als Kurzgeschichte auf 50 Seiten abhandeln lassen.

Einziger Vorteil der Langversion: Späteinsteiger, die nicht bei Fall eins anfangen wollen, erhalten auch in der 17. Runde ein komplettes Bild von Venedig – für sie ist es wahrscheinlich sogar noch eindrucksvoll – für mich einfach nur noch mehr vom alten. Macht aber nichts, den 17 Fälle sind ja eigentlich auch genug und ich kann mir jetzt schon vorstellen, was mich im 18. Fall erwartet… vorerst aber der 17. am 28.4. um 20.15 Uhr in der ARD.

Vielleicht liegt es an der wenig spektakulären Umgebung in Sizilien, aber ich mag den Commissario Montalbano von Andrea Camilleri mittlerweile lieber. Hier wird die Handlung in die Umgebung und die Persönlichkeit der Hauptperson eingebettet und ihr nicht aufgeklebt.Schön ist es übrigens dort doch, wie das Foto des Sonnenaufgangs in Montalbanos Heimatort Marinella (dem Hafen zur berühmten Tempelanlage in Selinunt) zeigt.

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