Zeitschriften. Medienkritik: Bergwelten und Terra Mater
Manchmal verspüre ich Lust auf Zeitschriften – vielleicht ist mir nach haptischer Lust: blättern statt klicken, beim Thema bleiben, statt surfend prokrastinieren. Auf jeden Fall stand ich einem unscheinbaren Zeitschriftenladen und griff einfach aus (wahrscheinlich auch berufsbedingter) Neugierde, unter andere, zu zwei Zeitschriften. „Bergwelten“ und „Terra Mater“.
Was mich bei beiden Ansprach, auch wenn das Grunddesign völlig unterschiedlich ist, ist die wenig marktschreierische Titelseite. Während die Bergwelten eher daherkommen wie ein angenehmer Spätsommertag, der zu Entdeckungen einlädt, präsentiert sich Terra Mater nüchtern sachlich. Ich kannte beide Zeitschriften vorher nicht, wurde aber dann beim Blättern und Lesen angenehmen überrascht.
Bei den Bergwelten fehlt der alpenvereinshafte, bergführeroberlehrerhafte Stil, statt dessen wird erzählerisch geplaudert in einer Sprache, die leicht lesbar, aber nie schlicht ist; das sprichwörtliche Lesevergnügen stellt sich ein. Auch weil man auf die Schnelle zwischendurch mal eine Geschichte lesen kann. Die Bildsprache ist füllig, aber nicht übertrieben. Raum für Product Placement ist viel, aber nicht aufdringlich. Beispiel: Canyon-Retter stellen ihre Ausrüstung vor, da fallen viele Markennamen des Bergsports, seisdrum, wer macht schon Extreme Canyoning… Optisch ansprechend inszeniert, aber oberflächlich kommentiert die beliebige Auswahl von Fotokameras (aber vielleicht bin ich auch zu Experte.) Modern gemacht dagegen die Ratgeberseiten: mit anschaulichen Skizzen werden etwa fünf Punkte geschildert, die es in Klettersteigen zu beachten gilt. Das abwechslungsreiche aber nie unaufgeräumte oder unübersichtliche Layout trägt seinen Teil zum Lesevergnügen bei. Als prominenter Gastautor ist Reinhold Messner dabei (der über Erstbesteigungskatastrophen philosophiert), das sorgt sicher für zusätzliche Aufmerksamkeit. In Kürze: ich bin auf die nächste Ausgabe gespannt.
Sehr angenehm überrascht war ich auch von Terra Mater. Letztendlich eine Konkurrenz zum Magazin Geo: Geschichten aus aller Welt, die Menschen und menschengemachte Ereignisse in den Mittelpunkt stellen. Auffällig ist das zurückhaltende Layout, das mit relativ viel Weißraum arbeitet und dabei immer einem strengen Layout folgt. Auch hier handelt es sich um angenehmes Lesevergnügen, auch wenn die Themen durchaus kritische sind: ausführlich wird etwa beleuchtet, was der Sojaanbau mit den Menschen in Argentinien anstellt, wo nur wenige reich, aber viele krank davon werden. Beeindruckt hat mich die Infografik, die darstellt wie viele Mannjahre in welches menschengeschaffene Werk geflossen sind. Die Mondlandemission der Amerikaner liegt hier noch vor den Pyramiden von Gizeh – Wikipedia und CERN sind dagegen ein Nichts.
Bei den Bergwelten bin ich schnell hinter den Urheber (Verleger) gekommen, schließlich wird im Heft laufend auf die Bergwelten Sendung in Servus TV hingewiesen. Eine Seite gibt auch eine Programmvorschau – wie gesagt, nicht aufdringlich, sondern informativ.
Überrascht war ich bei Terra Mater, die vom Design so ganz anders daherkommt: Werbung für Uhrenboutiquen in Wien und Automarkenwebseiten mit .at am Ende. Welcher österreichische Verlag gönnt sich so eine aufwändige Zeitschrift. Natürlich auch hier: Red Bull Media House, wie bei Bergwelten.
Ich bin positiv überrascht. Während die Branche diskutiert, inwieweit ein Brausehersteller selbst Medien herausgeben darf, um Werbung für sein Produkt zu machen, sehe ich nun eher den „Tchibo-Effekt“: Medienhaus mit angeschlossener Brauseproduktion, statt wie von vielen gedacht und erwartet umgekehrt. Was ist daran so schlecht, muss man sich fragen – auch deutsche Medienkonzerne wie Pro7 Sat1 verdienen mittlerweile fast mehr an ihren Internetaktivitäten, als an TV-Programmen.
Eigentlich ist es doch nur positiv, wenn die Medienlandschaft neue Unternehmer bekommt, die sich unabhängig von Einnahmen aus den Medienprodukten machen bzw. es verstehen durch geschickte Cross-Channel-Medien- und Vertriebsaktivitäten genug zu verdienen, dass (mindestens) zwei so gut gemachte Zeitschriften herauskommen.
PS: Obwohl ich keinen Fernseher mehr besitze, werde ich jetzt wohl doch mal gezielt Servus TV schauen müssen. Und ich erwarte nicht, dass Red Bull Media House kritisch über sich selbst berichtet. Das müssen wiederum andere tun…
Wenn man sich die Risiken (und Unfälle) ansieht, die Red Bull bei seinen „medienwirksamen“ Events einkalkuliert, und dann noch überlegt, um was für ein Getränk es sich hier handelt und womit es in aller Regel konsumiert wird – dann hat man kurz hinter die Hochglanz-Heile-Welt-Fassade geblickt. Muss man nicht, kann man aber tun.
http://m.oe24.at/oesterreich/chronik/Drama-Red-Bull-Schon-8-Tote/103227960